Die hoch verehrte Amaa, eine 104-jährige Yogini und sehr erfahrene Praktizierende des Buddhismus, reiste 200 Meilen von der Provinz Khenti im Nordosten der Mongolei nach Ulaanbaatar, um an der 10. Sakyadhita Internationale Konferenz Buddhistischer Frauen, 2008, teilzunehmen.
Während der Eröffnungszeremonie, und vor einem Publikum von mehreren hundert buddhistischen Frauen, teilte sie ihre Eindrücke mit den Worten, ‘auf diesen Moment habe ich mein ganzes Leben lang gewartet‘, der Versammlung mit.
Links: Amaa bei der 10. Sakyadhita Internatinale Konferenz Buddhistischer Frauen in Ulaanbaatar, Mongolei 2008.
Montag, 11. November 2013
104 Jahre des PraktizierensVon Konchog Norbu
Die Ehrwürdige Amaa bei der Sakyadhita Internationale Konferenz 2008, in Ulaanbaatar, Mongolei |
Um deutlich zu machen, was für eine Kostbarkeit Amaa darstellte, ist es nötig, etwas von den kulturellen/politischen Zusammenhängen zu erwähnen. Nicht jeder weiß, dass die mongolische Kultur genauso vom Vajrayana Buddhismus durchdrungen war, wie die Tibets. Als Amaa Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts geboren wurde, breiteten sich mehr als 1.000 monastische Anlagen über die mongolischen Wüsten, Steppen und Wälder aus. Viele Laien praktizierten auch als Yogis und Yoginis; Amaas Vater war ein voll ausgebildeter Lama, sowie auch ihr Großvater. In so eine Familie hineingeboren zu sein war schon etwas Besonderes in der Mongolei, aber auch nicht ganz ungewöhnlich.
Als Kind, in den östlichen Weidelandschaften der Mongolei, fing Amaa an die Gebete und das Chanting von ihrem Vater zu lernen. Ihr spezieller Fokus waren dabei Arya Tara und Shakyamuni Buddha. Als sie heranwuchs und ihre Hingabe zur Praxis sich vertiefte, wurde sie in die alte tantrische Tradition des Padmasambhava eingeführt. Sie lernte auch einen der größten, fast zeitgenössischen Praktizierenden in der Padmasambhava Linie kennen, Danzan Ravjaa (1803–1856), den berühmten Mahasiddha der östlichen Gobi Wüste der Mongolei. Sie fühlte sich ganz besonders hingezogen zu Danzan Ravjaas Art Chöd zu praktizieren, welches die Rituale und Visualisierungen des direkten Durchschneidens der Egoanhaftung sind, was die Mongolen lujing nennen, und tibetisch ist für “Darbringung des Körpers.”
Mit sechzehn Jahren war Amaa die Jüngste einer kleinen Gruppe, die den tibetischen Lama Zundui tief ins Landesinnere begleitete, um intensiv die Meditation zu lernen und zu praktizieren.
Zur selben Zeit gab es jedoch starke politische Strömungen vom Norden her. Gerade als die Mongolei sich der letzten Lehensherren der Qing Dynastie entledigte und sie 1911 zurück nach China schickte, erlangte im Norden die kommunistische Revolution in Russland ihre volle Stärke. Und dieser Einfluss war so stark, dass die Mongolei 1924 zur Volksrepublik, und somit formell zur zweiten kommunistischen Nation der Welt wurde. Während dieser Zeit verbreiteten und verstärkten sich die anti-religiösen Aspekte der kommunistischen Ideologie. Amaa’s Gruppe von Retreatlern musste sich zerstreuen, nachdem sie etwas über zwei Jahre zusammen gewesen waren.
Darauf hin folgte ein Katz und Maus Spiel mit den kommunistischen Kadern. Amaa erinnerte sich daran, wie ihre eigenen Lehrer sich spezieller Kräfte bedienten. Als ein Spähtrupp der Roten Armee sich ihrem mongolischen Hauptlehrer Artiin Mergen Pandita bedrohlich näherte, malte dieser zwei Kreise aus Sand auf den Boden und ordnete seinen Begleiter an, sich in den einen zu stellen und sich nicht zu bewegen, während er das gleiche in dem anderen tat. Die Soldaten platzten herein, der Begleiter verlor die Nerven, stürzte aus dem Kreis, und wurde sofort ergriffen. Der Lama verhielt sich ruhig und blieb unsichtbar, und vermied dadurch die Gefangenschaft.
Die religiöse Verfolgung verschlimmerte sich unter Stalins Einfluss noch mehr, und erreichte ihren Höhepunkt in der totalen Säuberungsaktion in den Jahren 1937-1939. Während dieser Zeit wurden fast alle Klöster geplündert und zerstört, die gelehrten Lamas hingerichtet oder nach Sibirien verfrachtet, die Mönche gezwungen ihre Roben abzulegen, die Yogis und Yoginis in alle Richtungen zerstreut, und jegliche religiöse Praxis als illegal erklärt. Und so würde es bleiben, bis friedvolle Massen Proteste 1990, demokratische Reformen einleiteten.
Amaa sagte, dass sie während dieser Zeit die äußere Erscheinung einer Laienperson angenommen hatte, um zu überleben. Sie erzählte mir, dass es wegen der weiten Landschaft und der spärlichen Bevölkerung der Mongolei, es ihr des Öfteren möglich gewesen war, sich zu entlegenen Friedhöfen und anderen einsamen Orten zu begeben, um dort im Geheimen zu praktizieren.
Deshalb war Amaa, als ich sie Jahrzehnte später traf, die einzige Person die ich kannte, die direkte persönliche Erinnerungen an den vor-kommunistischen, mongolischen Buddhismus hatte, und sie war für ihre mutige Ausdauer und ihre Errungenschaften während dieser ‚dunklen Jahre‘ bekannt. Amaa war auch als die einzige Person in den drei östlichen Provinzen der Mongolei berühmt dafür, dass sie die vollständigen, richtigen Gesänge und Zeremonien für die Verstorbenen ausführen konnte. Nichtsdestotrotz war sie äußerst bescheiden. Als ich zu der einfachen Heimstätte ihrer Familie in der Khentii Provinz pilgerte, fand ich heraus, dass die Menschen sie rund um die Uhr in ihrem runden Filz Ger (ein Art Zelt, nativ für die Mongolei), aufsuchten. Und selbst mit ihren 104 Jahren, blieb sie auf dem mit Teppich belegten Boden sitzen. Sie faltete ihre stecken-dünnen Beine unter sich, die durch die traditionellen mongolischen Stiefel aufrecht gehalten wurden, die sie sich vor achtzig Jahren selbst gemacht hatte (ein Paar für den Sommer, und eines für den Winter), und begrüßte alle mit dem gleichen liebevollen, zahnlosen Lächeln, erfüllte ihre Wünsche und teilte Rat und Segnungen aus.
Im Oktober 2008 hatte ich das Privileg, bei den Einweihungszeremonien zu Amaas neuem Ger anwesend zu sein (wobei sie gerade an der Schwelle ihrer 105 Jahre stand!). Voller Bewunderung sah ich, wie sie ganz in ihrem hingebungsvollen Chanting aufging und in welcher Verehrung sie von den Einheimischen gehalten wurde. Nach Beendigung der Zeremonie hatte ich die Gelegenheit mit Amaa zu sprechen. Ich flehte sie an noch länger zu leben und diesen neuen Tempel mit ihrer Anwesenheit zu segnen. Sie lachte und erwiderte, ‚Nun, während wir gesungen haben, fiel mir auf, dass die Flammen der Butterlampen eine sehr gute Farbe und Form hatten. Vielleicht bedeutet es, dass ich noch ein wenig länger leben werde‘.
Und das hat sie auch. Amaa verstarb in 2010 mit fast 106 Jahren, eine der Letzten ihrer Generation und einer Kultur, die nicht wiederkommen wird.
Glücklicherweise wurde Amaa auf mein Anraten hin, für das Mongolian Buddhist Monasteries Project (die Webseite wird bald radikal verbessert) interviewt, und ihre Erinnerungen über die buddhistische Mongolei sind nun auch für die Nachwelt erhalten. Dies hier ist ein Auszug aus eigenen Aufzeichnungen, und Fotos der Ehrwürdigen Amaa, aus meinem Blog, Dreaming of Danzan Ravjaa, den ich während meiner Zeit in der Mongolei geführt habe. Unter den nachfolgenden vier Posten kann man meine Eindrücke über die gemeinsamen Zeit mit ihr lesen und viele der Fotos die ich gemacht habe sehen:
Konchog Norbu: Mönch
Konchog Norbu ist ein amerikanischer buddhistischer Mönch, der von 2005-2009 als Direktor für das Mongolian Buddhist Revival Project diente. Lesen Sie mehr von dem Ehrw. Konchok Norbu …
Juni, 2008
AmaaHeute ist Neumond, welcher traditionell mit den Vollmond Tagen, eine Zeit des Bekenntnisses für diejenigen markiert ist, die als buddhistische Mönche und Nonnen ordiniert sind. In diesem Sinne, habe ich etwas das ich Euch allen erzählen muss. Ich hatte nicht gedacht, dass es passieren würde, und normalerweise hüte ich mich sehr vor solchen Entwicklungen, aber wer von uns kann schon auf Dauer der unvermeidbaren Kraft seines Schicksals widerstehen? Ja, ich muss gestehen, ich habe mich verliebt.
Es ist Glückseligkeit. Es ist Leerheit.
So. Jetzt ist es raus. Die Zeit des Versteckens und der Geheimnistuerei ist vorbei. Und im Zuge der vollständigen Enthüllung teile ich mit Euch jetzt auch ein Bild von mir und meiner
Geliebten. Urteilt über mich wie ihr wollt:
Aaaaahahahahaha! Würde jemand so gut sein und die KPC Nonnen vom Boden aufheben? {kicher}
Damit will ich nicht sagen, dass ich mich nicht in diese Frau verliebt habe. Ganz im Gegenteil. Bitte erlaubt mir, sie Euch vorzustellen: sie ist einfach als Amaa bekannt und 104 Jahre jung. Wie ich schon vorher erwähnt habe, hatte ich von ihr über eine ihrer Schülerinnen gehört, die einige meiner Klassen besuchte. Aber erst gestern gelang es mir endlich, im Hinterzimmer eines kleinen, von ihrem ältesten Adoptivsohn betriebenen Geschäftes, zu ihren Füssen zu sitzen, und auf diese Weise meiner Bewunderung Ausdruck zu geben. Für fast 96 Jahre ihres Lebens ist sie bis heute, durch all die dunklen Dekaden der kommunistischen Herrschaft hindurch, eine treue Anhängerin Buddhas gewesen.
Amaa ist eine Tochter der nordöstlichen Provinz Khentii, Geburtsplatz des Chengis Khan und über Jahrzehnte hinweg eine Hochburg des Buddhadharma.
Das Mongolian Monastery Documentation Project zählt nicht weniger als 101 buddhistische Einrichtungen, die vor der stalinistischen Säuberungsaktion in der Khentii Provinz gediehen sind (tut mir leid, nur die mongolischen). Soviel ich weiß, scheint es auch ein besonders starker Platz weiblicher Spiritualität zu sein, mit vielen, sehr respektierten, weiblichen Meditationsmeisterinnen und Gemeinschaften spiritueller Praxis.
Jetzt filtern wir mal alle hässlichen Elemente aus dem obigen Foto heraus und schauen uns Amaa von der Nähe an:
Als Amaa noch ein Kind war, erwachte in ihr die Hingabe zur Grünen Tara, durch ihren Lama Vater. Zuerst praktizierte sie die Mantras von Tara und Shakayamuni Buddha, während sie andere Texte auswendig lernte. Bald wurde sie jedoch in die Traditionen von Padmasambhava und Danzan Ravjaa eingeweiht. Als ihre Hauptpraxis adoptierte sie Danzan Ravjaa’s Chöd (das Durchschneiden der Ego Anhaftung), das in der Mongolei allgemein mehr als luijing (Darbringung des Körpers) bekannt ist. Sie entwickelte die Praxis und ging damit dann im Alter von 24-26 Jahren, in ein Zwei-Jahres-Retreat in eine Höhle. Selbst während der kommunistischen Jahre hielt Amaa eine geheime, nächtliche Praxis aufrecht und zog in regelmäßigen Abständen zu abgelegenen Friedhöfen hinaus, den beliebten Meditationsplätzen einer Chödma (in der Praxis sucht man absichtlich die Konfrontation mit seinen tiefsten Ängsten, ja man ruft sie geradezu hervor, um sie mit Buddhas ältesten Mitteln zu überwinden: der Weisheit und dem Mitgefühl).
Viele suchen jetzt Amaas besonderen Segen, und sie wurde bekannt als die einzige, völlig qualifizierte Person in den östlichen Provinzen, um die kürzlich Verstorbenen durch die Zwischenbereiche zu geleiten. Dies macht sie auf den Texten Padmasambhavas basierend, die als The Great Liberation Upon Hearing in the Intermediate States, oder, im Westen populärerweise als Das Tibetische Totenbuch bekannt sind, und die sie auswendig gelernt hatte.
Ich zögere jetzt noch viel mehr zu sagen (habe gerade ein mongolisches Sprichwort in meinem Grammatik Buch gelesen: ‚ Demjenigen, der viel redet, misslingt viel‘.) Ich hatte gerade ein ausgiebiges Mittagessen mit Amaas Schülerin, habe dabei mehr Geschichten gehört und es juckt mich in den Fingern nach Khentii zu reisen, um mich mit meinen eigenen Augen von der Wirklichkeit zu überzeugen. Und es sieht ganz so aus, als wäre das möglich. Amaa und viele Andere werden bald ein jährliches Sommertreffen auf dem Gelände des Gashaar Klosters abhalten, in der Nähe der Höhle, in der sie ihre zwei Jahre verbracht hatte. Man sagt, es sei abgelegen, wunderschön und kraftvoll. Nach drei Monaten eingepfercht in der Stadt, braucht man mir nicht mehr zu erzählen.
3. Juni, 2008
Amaa IIWow. Ihr seid mir alle ein totales Rätsel. Undurchschaubar. Ich dachte, dass Fotos und Geschichte der 104-jährigen Amaa (ihr habt das schon mitbekommen, oder? 104?) Ausrufe der Bewunderung in den Kommentaren auslösen würde. Aber vielleicht seid ihr ja alle sprachlos, eine Beschwerde, unter der ich selten leide, fürchte ich.
Wie dem auch sei, es ist Frühling und meine Geliebte weilte immerzu in meinen Gedanken, deshalb habe ich arrangiert, Amaa gestern Nachmittag wieder zu besuchen. Weitere Geschichten und mehr Gelächter und ein unerwarteter Besuch von Ani Kunze, die gerade von einer einmonatigen Spritztour nach Dharamsala, Moskau und wer weiß wohin noch, zurück kam.
Das war ein sehr rührender Augenblick. Beide sind engagierte Chöd Praktizierende, wobei Amaa Ani Kunze um gut 70 Jahre voraus ist. Das war ihre erste Begegnung. Ich hatte das Gefühl, einem ergreifenden historischen Moment beizuwohnen – die Greisin, die beharrlich und mit fast unvorstellbarer Entschlossenheit durch sieben Jahrzehnte aktiver, feindseliger, kommunistischer Herrschaft hindurch, ihre Praxis ausübte, und eine leitende Person der neuen Generation mongolischer, buddhistischer Frauen, die gekommen war um ihren Respekt zu bezeugen und gesegnet zu werden. Natürlich verschwand ich im Hintergrund und machte ein paar Fotos. Ich hatte Glück. Da ich mich etwas schüchtern fühlte, machte ich nur drei Aufnahmen, aber eine davon war diese:
Die ist zum Aufbewahren.
Ich möchte auch noch etwas vom letzten Posten klarstellen. Es stellte sich heraus, dass Amaa nicht für zwei Jahre im Einzelretreat in der Höhle war. Sie sagte, dass sie in Wirklichkeit die Jüngste von 16 tantrischen Praktizierenden war, die sich mit einem starken tibetischen Lama mit dem Namen Zundui in entlegene Orte des Landesinnere zurück gezogen hatten, um dort umfassende Belehrungen zu erhalten und zu praktizieren. Es gelang ihnen fast zwei Jahre lang zusammen zu bleiben, bevor die kommunistischen Fanatiker Wind von ihrer Enklave bekamen und sie alle flüchten mussten. Einige wurden gefangen genommen, andere entkamen und tauchten in der allgemeinen Bevölkerung unter.
Amaa ist anscheinend voller Geschichten, über das ungewöhnliche Katz und Maus Spiel, dass diese Lamas mit den Polizisten spielten. Einer ihrer Lehrer, Artiin Mergen Pandita, war gerade mit einem Freund beisammen, als die Polizisten kamen. Er malte schnell zwei Kreise aus Sand auf den Boden, und sagte seinem Freund dass er sich in den Einen stellen sollte, während er sich in den anderen stellte. Und er wies seinen Freund an, ‚was immer auch passiert, beweg dich nicht‘. Als sich jedoch die bewaffneten Männer näherten, hielt es der Freund vor Angst nicht aus und kroch aus dem Kreis. Dadurch wurde er sichtbar und gefangen genommen. Der Lama blieb unsichtbar innerhalb seines Kreises und entkam.
Zundui entkam mehrere Male auf ungewöhnliche Weise. Einmal hatte er seine Mutter mit zwei Pferden besucht. Die Autoritäten, die darauf aus waren alle hohen Lamas zusammen zu treiben und zu verhaften, bekamen Wind davon und galoppierten zu ihrer Wohnstätte hinüber. Als sie näher kamen, waren Zundui und seine Pferde jedoch nirgends zu sehen. Allerdings wurden sie von zwei Bären konfrontiert und rannten davon. Ein anderes Mal wurde Zundui auf seinem Pferd von einem anderen Berittenen aufgehalten. Zundui sagte zum Anderen, ‚ich frage mich, wie schwer du bist‘? Dann klemmte er sich die Kleidung des Mannes zwischen zwei Finger und hob ihn vom Pferd. Der Andere war auf Grund der Stärke des Lamas wie versteinert und ließ ihn ziehen. Ein anderes Mal wurde er auf dem Pferd in den Bergen verfolgt, als plötzlich ein Nebel aufzog. Und obwohl seine Verfolger dampfenden Pferdedung sahen, als Anzeichen dafür, dass er Sekunden vorher da gewesen sein musste, war er nie aufzufinden.
Es gibt noch mehr und wildere Geschichten, aber die heben wir uns für ein anderes Mal auf.
13. October 2008
Nicht der Bequeme Sessel!Obwohl meine Zeit in der Mongolei mir einige wahrhaft exquisite Momente geboten hat, besteht ein großer Teil des Vergnügens in dem Privileg, sie mit Euch allen zu teilen. So habe ich letzte Woche meine Zeit mit der 104-jährigen Yogini Amaa in ihrer Heimstätte in der Provinz Khentii noch einmal genossen, indem ich viele Fotos bearbeitet, und mir langsam dabei überlegt habe, wie ich dieses Erlebnis am besten präsentiere.
Tatsache ist, wir wären beinahe überhaupt nicht hingekommen.
Auf typische mongolische Art, hat sich unsere abendliche Abfahrtszeit letzten Mittwoch für die 5-stündige Fahrt, wegen Verspätungen und Trödeleien auf ungefähr 20.00 Uhr verschoben. Ich fühlte mich schon seltsam erschöpft und nickte fast sofort weg, als wir auf der Straße waren, während die anderen Drei – meine Freundin Sara, ihr Freund Batbaatar, und Amaa’s Studentin Enkhtsetseg (‚Enkhee‘) – sich angeregt unterhielten. Es war seltsam: je mehr ich wegdämmerte, desto lauter schien ihre Konversation zu werden. Ich war mir schemenhaft bewusst, dass ihr Volumen ein etwas unerträgliches Crescendo erreichte, als es plötzlich durch einen gemeinsamen Aufschrei, quietschenden Reifen und einem unschönen Whomp, ein Ende fand. Ich wurde wachgerüttelt und sah wie Batbaatar mit dem Auto kämpfend, an den Straßenrand fuhr, wobei er sich bemühte, an einem Netzwerk gebrochenen Glases vorbei zu schauen, wo er vorher noch eine Sicht durch die Windschutzscheibe hatte.
Nachdem ich erst einmal begriffen hatte, dass dieses Lebens nicht auf einem entfernten Straßenabschnitt in der östlichen Mongolei enden würde, war mein nächster grauenvoller Gedanke, dass wir jemanden angefahren hatten, und dass diese Person sicher so einen Zusammenstoß nicht überlebt hatte. Aber glücklicherweise gibt es zumindest nur wenige Menschen in den ländlichen Gegenden der Mongolei, wenn auch viele Tiere. Nachdem die anderen Passagiere sich etwas von ihrem Schock erholt hatten, ließ man mich wissen, dass das, was wir wirklich getroffen hatten, ein unvorsichtiges Pferd gewesen war. Ich stürzte aus dem Auto und dachte ich wäre berufen die buddhistische Version der letzten Riten abzuhalten, aber das Pferd war nirgends zu sehen. Es war wohl etwas angeschlagen, aber keinesfalls zu Fall gebracht. Kein Wunder, dass diese zähen Biester das Fortbewegungsmittel für Chinghis Khan’s unaufhaltbarer imperialen Armee gewesen waren.
Glücklicherweise für uns, wenn das Auto auch beträchtliche Schönheitsfehler erlitten hatte….,
... war es völlig fahrbar. Also fuhren wir weiter, wobei Batbaatar sich in einem konstanten 45-Grad Winkel hinauslehnen musste, um die Straße zu sehen. Ich nehme an, sein Chiropraktiker bekam Montag früh einen Anruf.
Gegen 1 Uhr früh rollten wir dann in Underkhaan, Khentii’s Hauptstadt ein, wo wir zunehmend die Möglichkeit ins Auge fassen mussten, in einem Heustadel zu übernachten; obwohl es eine Zeit der Flaute für die Gastwirtschaftliche Industrie hätte sein sollen, waren wegen den bevorstehenden Lokalwahlen fast alle Hotelzimmer besetzt. Was noch übrig war, war zu erwarten – teuer und unterm Strich. Das hat mich trotzdem nicht gehindert tief zu schlafen und ich bin aufgewacht, zu einem sonnigen Morgen und einem Frühstück, mit Bergen von ungewöhnlich köstlichem, vor Ort gebackenem Brot. Gestärkt gingen wir los, um Amaa’s Heimstätte zu suchen.
Ich zögere das Wort ‚Heimstätte‘ zu benutzen, da ich weiß, dass zumindest wir in den Staaten an Koresh&Co. in Waco, oder an mormonische Polygamisten oder Ähnliches denken. Aber während der Privatisierung nach 1990, von kollektiv gehaltenem Land in den mongolischen Städten, hatte jede Familie die Gelegenheit, sich um ein freies Stück Land von nicht ganz einem Hektar zu bewerben, um dort Gers zu errichten, oder etwas Permanenteres aufzubauen. Diese Grundstücke sind alle durch ungehobelte Holzlattenzäune unterteilt. Innerhalb befinden sich unterschiedliche Wohnquartiere, etwas Abstellraum, ein Plumpsklo, ein bis zwei der unvermeidlichen Hunde, andere kleine Haustiere, vielleicht eingepfercht, vielleicht eine kleine Windmühle. Na ja, halt eine Heimstätte.
Und als wir Amaas Heimstätte fanden und hineingingen, sahen wir das Ziel unserer Reise.
Nun, Amaa ist ziemlich bekannt, besonders in ihrer eigenen Provinz und das für fast ein ganzes Jahrzehnt. Während unseres Aufenthalts kamen unentwegt Leute vorbei um sich Rat von ihr zu holen, sie um Gebete zu bitten und ihren Segen zu erhalten. Es schien so jeden Tag zu gehen. Trotzdem hatte sie bis jetzt keinen eigenen gesegneten Platz für sich; all ihre Aktivitäten führte sie einfach in der Geschäftigkeit des Familienlebens im Ger aus. An glücksverheißenden Tagen gingen sie und ihre Schüler in einen naheliegenden Tempel um zu chanten.
Als ich diesen Sommer in den Staaten war, hat Sara das richtig gestellt. Sie ging zu ihrem guten Freund Batbaatar, der Direktor einer erfolgreichen UB Firma (deren Holding glücklicherweise auch über eine Kette von Autoreparatur Werkstätten verfügt!) und ein Mann von nicht geringen Mitteln ist. Sie weiß, dass er ein gläubiger Buddhist ist und als sie ihm Amaa‘s Situation erklärt hatte, zögerte er nicht, die nötigen Mittel für einen neuen Chanting Ger zur Verfügung zu stellen. Erstaunlicherweise hatte er Amaa nie vorher getroffen; dieser Trip war dazu gedacht sie kennenzulernen und sie in dem Ger, das er gesponsert hatte, in Aktion zu sehen. Und sobald wir am Eingang standen, da war er auch schon zu sehen:
Bewundernswert, oder nicht? Wir waren absichtlich am 10. Tag des Monats, nach Mondrechnung angekommen, der dem Padmasambhava heilig ist. Dieser, und der 25. Tag sind die zeremoniellen Haupttage für die Anhänger der Padmasambhava Tradition, bekannt als die Nyingmapa.
Wir tranken schnell eine Schale Willkommenstee im Familien Ger, wobei jeder Amaa vorgestellt wurde und ich konnte eine Opfergabe machen, die ich schon länger vorbereitet hatte. Während des Palyul Retreats in diesem Sommer, gab SH Karma Kuchen Rinpoche eine Padmasambhava Einweihung. Jeder Teilnehmer erhielt ein schönes, postkarten-großes Image von Padmasambhava, flankiert von dem Dharma König Trisong Deutsen und dem großen Khenpo Shantarakshita, die beide maßgeblich daran beteiligt waren, Padmasambhavas Einführung der buddhistischen Praxis in Tibet zu unterstützen und zu vergrößern. Ich hatte es in UB schön einrahmen lassen und überreichte es Amaa als einen gesegneten Gegenstand für ihren neuen Ger. Sie war über die Gabe sehr glücklich, und stellte es sofort auf den Altar.
Dann gingen wir zum Chanting Ger hinüber. Drinnen war ein einfacher Altar mit Padmasambhava als Hauptfigur, ein bequemer Sessel, ein langes Sitzkissen, und ein niedriger Tisch. Nachdem wir alle drin waren, gestikulierte man mich zum Sessel. ‚Ja, richtig‘; ich kicherte und setzte mich auf den Boden. Aber sie wollten das nicht akzeptieren und bestanden mehr und mehr darauf, mich in den Sessel zu setzen. Ein komischer Disput in mehreren Sprachen brach aus, während ich mir vorstellte, wie mein Lehrer mich zu Staub zermalmte, weil ich einen höheren Platz einnahm, als eine 104-jährige Yogini. Es wurde jedoch ganz klar gesagt, dass in der mongolischen Kultur, unter welchen Umständen auch immer, der Mönch den besten Platz bekam. Ich stimmte schließlich unter starkem Protest zu, nachdem ich gewahr wurde, dass auch für Amaa ein angemessener Platz bereitgestellt wurde.
Als ich Platz nahm, sah ich ein Aufblitzen in Batbaatar’s Auge. Er hatte den Ruf etwas von einem Witzbold zu haben. Auf unserer Herfahrt, hatte ich über Sara meinen ersten Witz mit der mongolischen Sprache erklärt. Auf Mongolisch ist das Wort für Mutter ‚eej‘, das man wie ‚age‘ (das Alter), auf Englisch ausspricht. Als ich einmal meine Mutter, die das Wort jetzt auch kennt, besuchte, kamen wir zur selben Zeit an einer Tür an. Ich machte eine ausladende Geste und sagte ‚oh – ‚eej geht vor Schönheit‘, und fühlte mich dabei enorm selbstzufrieden, wobei ich ein ebenso großes Augenrollen von meiner Mutter erntete. Jetzt beobachtete ich, wie Batbaatar, der ein bisschen Englisch kann, sich mit Sara besprach. Als er zufrieden gestellt war, drehte er sich zu mir, der ich verlegen auf dem bequemen Sessel saß und deklarierte, ‚Sex geht vor Alter!‘, und erntete damit stürmischen Beifall.
Während wir es uns gemütlich machten und darauf warteten, dass noch ein paar andere Leute auftauchten, nahm Batbaatar seinen Laptop heraus und spielte für Amaa das andere Geschenk, das ich ihr mitgebracht hatte, eine CD, auf der Jetsunma ‚Gebet zur Wiedergeburt in Dewachen‘ singt (Du kannst Deine hier umsonst bekommen). Ich beobachtete fasziniert, wie Amaa immer näher zur Musik rückte, und wirklich zuhörte. Schließlich lächelte sie und meinte, ‚ das ist definitiv buddhistische Musik.‘
Ich fragte sie, ob es schwer zu verstehen wäre, wie der amerikanische Lama die tibetischen Worte aussprach.
Sie antwortete, ‚nein, das ist in Ordnung‘. Außerdem ist es eigentlich egal. Ich war auf der Konferenz der Buddhistischen Frauen im Juli und habe Menschen aus der ganzen Welt getroffen. Ich habe gesehen, dass der Buddhismus in so vielen Sprachen praktiziert wird. Die Sprache selbst ist nicht so wichtig, sondern die Bedeutung, und hier ist die Bedeutung definitiv vorhanden‘.
Und hier ist die wunderbare Frau, die diese Worte sprach.
17. Oktober, 2008
"Chanting Down Babylon“Ja, ich weiß, ich hab für Mittwoch Fotos versprochen, aber es gab hier ohne Unterlass Störungen mit der Internet Verbindung, die Euren normalerweise gelassenen Autoren, leicht verrückt gemacht haben. Glücklicherweise ist Micheles French Bakery, mit gutem Kaffee und Croissants, eine der Alternativen um Wireless zu empfangen, also versucht nicht zu viele Tränen zu vergießen.
Nach dem letzten Beitrag über Amaa, habe ich Einiges dazu gelernt. Aber zuerst teile ich mit Euch ein gelungenes Porträt von Amaa und ihrer Hauptschülerin Enkhee.
Es war Enkhee, die dieses Frühjahr in einer unserer Klassen auftauchte und mir von Amaa erzählte, und damit den ganzen wunderbaren Ball ins Rollen brachte. Während einer unserer Unterhaltungen, hat mir Enkhee vor kurzem auch von ihrem Großvater Namsraisuren erzählt, der ein sehr berühmter, herumwandernder Yogi seiner Zeit gewesen ist, und Chöd – die tiefgründige Praxis des Darbringens des Körpers, um damit die Ego-Anhaftung zu durchschneiden – in einem Ger praktizierte. Und nicht in irgendeinem Ger; sondern genau in diesem spezifischen Ger, in dem wir uns befanden. Das heißt, nachdem er verstorben war, wurden der hölzerne Rahmen und die Türe aufbewahrt. Was Batbaatar zur Verfügung stellte, waren die Funde für die neue Abdeckung, innen und außen. Hier kann man ihn mit Amaa vor dem wiederhergestellten Meditations-und Chanting Ger sehen:
Nachdem wir uns drinnen versammelt hatten, machten die drei Yoginis viele Gebete zu Padmasambhava, Tara, usw.
Ich mag die nächste Aufnahme auch, nicht weil es so ein besonders tolles Foto ist, aber es fängt drei Generationen mongolischer Frauen ein. Das junge Mädchen, das ihre Großmutter begleitet, war so unverwandt aufmerksam und hingebungsvoll zu Oyunna:
Anschließend setzten die Yoginis ihre gefranste Augenbedeckung auf, die in der Chöd Meditation verwendet wird (ich muss gestehen, ich bin nicht 100% sicher, was ihre Bedeutung ist) und benutzten die traditionellen Instrumente, die große Damaru Trommel und das Kangling Horn, das aus einem menschlichen Oberschenkelknochen besteht.
Ich fand heraus, dass die Instrumente die Enkhee benutzt, auch von ihrem Großvater stammen.
Amaa sagte, dass sie ihre tantrischen Instrumente mit sechzehn Jahren bekommen hat (man stelle sich diese süße Geburtstags Party vor!) und es war klar, dass es die hingebungsvollen Einheimischen (schaut euch die niedliche Kleine in orange an!)…
…es als einen großen Segen betrachteten, damit auf dem Scheitelpunkt ihres Kopfes berührt zu werden:
Nach dem Chanting wurden die Opfergaben des Tsog Essens verteilt…
…und weil ich meine Kamera zur Hand hatte, war es Zeit für endlose Gruppenfotos:
… wo Batbaatar einen letzten Segen erhielt.
Auf dem Weg aus der Stadt, machten wir noch bei Enkhee’s Mutter halt, um uns mit der allgegenwärtigen Nudelsuppe und noch mehr von diesem tödlichen Buryiat Brot, aufzutanken. Hier habe ich die Beiden eingefangen:
Dann, über Nacht zurück nach UB, wobei wir weitere Zusammenstöße mit umherwandernden Pferdeherden vermeiden konnten..
Nach dem Chanting hatte ich zu Amaa gesagt, ‚Nachdem Du jetzt diesen wundervollen neuen Ger hast, musst Du länger leben, um ihn zu benutzen! Bitte!
Sie gab eine faszinierende Antwort: ‚Nun, während unseres Chantings, habe ich bemerkt dass die Flammen der Butterlampen eine sehr gute Farbe und Form hatten. Vielleicht bedeutet es, dass ich noch etwas länger lebe‘.
Darüber waren alle sehr erfreut.
Der Titel dieses Beitrags ist ein allgemeiner Ausdruck in der Reggae Musik, für die vibrierende Opposition zu den Ungerechtigkeiten der materiellen Kultur.
Wir machen nächsten Mittwoch weiter, mit einem Foto Essay über die eigentlichen Zeremonien.
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