Statt eines Kommentars zum
Artikel vom 10. September, 2014 über "Wahrnehmung von Frauen in der Sprache", sendet uns Anna Julia Kleinow folgenden spannenden Artikel. Vielen Dank dafür:
"Frauen unsd Sprache"
Die Feststellung, dass Frauen in der
Sprache nur unzulänglich berücksichtigt werden, zieht sich leider
durch die meisten Religionen. Kleinere Übel wie „die Frau von…“
und „hat bei diesem und jenem Lehrer gelernt“ wechseln sich
ab mit größeren, in traditionellen Schriften enthaltenen misogynen
Aspekten. Da ebenso die meisten Religionen einhergehen mit
patriarchalen Strukturen, die lange gewachsen sind, nehme ich an,
dass ein Umschwung ebenso nur langsam vonstattengehen kann.
Die Debatten zum Thema Frauen in der
Sprache sind ja gesellschaftlich, nicht nur in religiösen Kreisen
unbedingt relevant und zeigen den Weg in eine richtige Richtung, aber
wenn man schon in diese gerechte Richtung weist, gehört eigentlich
dazu, für alle einzutreten: Was ist denn mit Transgender?
Für mich hängt das definitiv zusammen. Sonst kommt es mir ein
bisschen vor wie „Ich esse keine Tiere. Aber Fisch esse ich
schon.“, was zwar ein guter Ansatz ist, aber nicht zu Ende gedacht.
Sonst rutscht man gleich von einer Ungerechtigkeit in die
nächste.
Also, die Frauendebatte erfordert auch immer gleichzeitig eine Transgenderdebatte, oder sogar eine genderfreie Debatte. Ich muss dabei an den Urteilsvierkant denken, den Nagarjuna so oft verwendet hat. Ich bin in philosophischer Denkweise nicht ausgebildet, aber mir ist hängengeblieben, dass man verschiedene Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte, bevor man zu schnell urteilt. Heute geht man meist davon aus, dass sich jemand einordnet in das Konstrukt Frau oder Mann oder beides oder keines von beidem. Aber wer sag denn, dass es nicht Menschen gibt, die sich gar nicht einordnen lassen – also die weder Frau noch nicht Frau, weder Mann noch nicht Mann, weder beides oder keines, noch nicht beides oder keines sind oder sein mögen? Die mit dieser Zuordnung eines Menschen in eine Geschlechterkategorie einfach nichts anfangen können.
Also, die Frauendebatte erfordert auch immer gleichzeitig eine Transgenderdebatte, oder sogar eine genderfreie Debatte. Ich muss dabei an den Urteilsvierkant denken, den Nagarjuna so oft verwendet hat. Ich bin in philosophischer Denkweise nicht ausgebildet, aber mir ist hängengeblieben, dass man verschiedene Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte, bevor man zu schnell urteilt. Heute geht man meist davon aus, dass sich jemand einordnet in das Konstrukt Frau oder Mann oder beides oder keines von beidem. Aber wer sag denn, dass es nicht Menschen gibt, die sich gar nicht einordnen lassen – also die weder Frau noch nicht Frau, weder Mann noch nicht Mann, weder beides oder keines, noch nicht beides oder keines sind oder sein mögen? Die mit dieser Zuordnung eines Menschen in eine Geschlechterkategorie einfach nichts anfangen können.
Um wieder zurück zu kommen und erst
einmal an einem Ende (der Frau) anzufangen: Die Frage ist, ob es die
deutsche Sprache überhaupt zulässt, alle zu jeder Zeit gleichwertig
mit einzubeziehen ohne sich dermaßen zu verbiegen, dass sie
überhaupt nicht mehr verständlich ist? In der Genderfrage gibt es
ja schon so einiges an der Tagesordnung, was den Lesefluss und
ehrlich gesagt auch die Schönheit der Sprache beeinträchtigt. Da
lösen Binnenmajuskeln Binnen-Is ab, Gendersternchen Gendergaps,
Schrägstriche Klammern…und das in jeder zweiten Zeile. „Zeug*e*in,
Fahrradfahrer!n, PilotIn, Lehrer_in, Sprecher/-in, Käufer(in) …“
man kommt in solchen Sätzen kaum noch zum Lesen des eigentlichen
Inhalts. Und die Männer stehen doch wieder an erster Stelle
(FahrradfahrER*IN). Erst kommt immer der Fahrradfahrer, dann
hinterher die Fahrradfahrerin. Diese Varianten sind sicherlich gut
überlegt und eine Alternative, jedoch ist es dem Lesefluss wie
gesagt nicht gerade zuträglich. Wenn man also mit diesen Majuskeln
und Co. nicht zufrieden ist, bleiben immer noch eine der drei
nächsten Varianten.
1. Frau/man erwähnt
immer beide Geschlechter, wobei frau/man die Frau immer zuerst nennen
kann: „Die Kassiererin oder der Kassierer hat, wenn die Schlange
der Käuferinnen und Käufer zu lang wird und eine Kundin oder ein
Kunde nach einer zweiten Kassiererin oder einem zweiten Kassierer
fragt, die Pflicht, der Anfrage der Kundin oder des Kunden
nachzukommen“.
Uff. Das wird schon beim Schreiben langweilig.
2. Man benutzt Partizipien: Die Kassierenden, die Einkaufenden, die Lernenden usw. Klingt schön und ist nicht zu lang, hat aber zumindest den kleinen Nachteil, dass man auf einige Worte, die man eigentlich verwenden will, verzichten muss: Wie ist es mit Kundin oder Kunde? Wird daraus Kundenen?….Man muss dann wieder ausweichen – auf die Kaufinteressierten um Beispiel. Aber eigentlich will man doch einfach nur Kundin und Kunde sagen. Außerdem wird diese Form des „Partizip-ierens“ auch lustig, wenn man sagen will „Die angekommenen Fahrerinnen und Fahrer essen ein Pausenbrot“ -> „Die angekommenen Fahrenden essen ein Pausenbrot“. Was ist denn hier los, entweder jemand fährt oder er ist angekommen, beides geht nicht. Das Partizip beschreibt ja immer etwas, das gerade aktuell ausgeführt wird.
3. Man benutzt (nach dem Vorschlag einer/s Berliner Professx vor ein paar Jahren) das genderfreie x: Kassierx, Verkäufx, Fahrradfahrx, Laix. Damit ist man jedenfalls auf der sicheren und kürzeren Seite. Dass damit aber die Sprache bis ins Unkenntliche verzerrt wird, so dass man beim Lesen nur noch kichern möchte, ist vielleicht nicht so produktiv. Außerdem würden wir dann alle zu Galliern, wie Asterix und Obelix.Hier noch einmal, weil´s so schön ist. „Die Kassiererin oder der Kassierer hat, wenn die Schlange der Käufer!nnen zu lang wird und ein/e Kund*in nach einer/einem zweiten Kassierer_in fragt, die Pflicht, der Anfrage des/der Kundx nachzukommen“.
Uff. Das wird schon beim Schreiben langweilig.
2. Man benutzt Partizipien: Die Kassierenden, die Einkaufenden, die Lernenden usw. Klingt schön und ist nicht zu lang, hat aber zumindest den kleinen Nachteil, dass man auf einige Worte, die man eigentlich verwenden will, verzichten muss: Wie ist es mit Kundin oder Kunde? Wird daraus Kundenen?….Man muss dann wieder ausweichen – auf die Kaufinteressierten um Beispiel. Aber eigentlich will man doch einfach nur Kundin und Kunde sagen. Außerdem wird diese Form des „Partizip-ierens“ auch lustig, wenn man sagen will „Die angekommenen Fahrerinnen und Fahrer essen ein Pausenbrot“ -> „Die angekommenen Fahrenden essen ein Pausenbrot“. Was ist denn hier los, entweder jemand fährt oder er ist angekommen, beides geht nicht. Das Partizip beschreibt ja immer etwas, das gerade aktuell ausgeführt wird.
3. Man benutzt (nach dem Vorschlag einer/s Berliner Professx vor ein paar Jahren) das genderfreie x: Kassierx, Verkäufx, Fahrradfahrx, Laix. Damit ist man jedenfalls auf der sicheren und kürzeren Seite. Dass damit aber die Sprache bis ins Unkenntliche verzerrt wird, so dass man beim Lesen nur noch kichern möchte, ist vielleicht nicht so produktiv. Außerdem würden wir dann alle zu Galliern, wie Asterix und Obelix.Hier noch einmal, weil´s so schön ist. „Die Kassiererin oder der Kassierer hat, wenn die Schlange der Käufer!nnen zu lang wird und ein/e Kund*in nach einer/einem zweiten Kassierer_in fragt, die Pflicht, der Anfrage des/der Kundx nachzukommen“.
Wenn man unter all diesem Sprachwust
nicht untergeht, bleibt aber doch die wichtige Anfangsfrage nach der
Benachteiligung bzw. der Gleichstellung der Frau in der Sprache.
Dafür sind aufgeführte Mittel sicherlich schon ein guter Start und
ein Erfolg in der feministischen Linguistik und der Genderdebatte.
Wenn man sich für ein Mittel entscheidet und es in Texten
konsequent benutzt, kann sich der Leser bestimmt auch recht schnell
anpassen.
Aber all diese Dinge sind auch mit Vorsicht zu genießen, sonst kann bald keiner mehr lesen, was man eigentlich schreiben wollte.
Aber all diese Dinge sind auch mit Vorsicht zu genießen, sonst kann bald keiner mehr lesen, was man eigentlich schreiben wollte.
Neben diesen Aspekten im Außen gehört
aber auch ein innerer. Und der geht in die Richtung von Annahme
dessen was war und von innerer Stärke. Die Benachteiligung von
Frauen ist leider ein uraltes Phänomen und die meisten
Religionsgründer waren nicht zufällig Männer. Aber nun weiß man
es ja heute besser. Frauen und Männer sollten grundsätzlich absolut
gleichwertig und gleichberechtigt sein. Und alle anderen auch. Dass
es leider oft anders war und noch immer so ist, gehört aber ebenso
zur Realität. Und da der Weg zur Besserung ein langer ist, nützt es
bis dahin vielleicht, sich an die eigene Nase zu fassen. Es gehören
ja schließlich immer zwei dazu. Ein Schreibender, der sich
frauenbenachteiligend äußert und eine Lesende, die sich
benachteiligt und persönlich betroffen fühlt. Wenn man aber der
grundfesten Überzeugung ist, dass Frauen und Männer (und alle
anderen) so und so absolut gleichwertig sind, braucht man sich
eigentlich nicht getroffen zu fühlen, egal an welcher Stelle
frau/man im Text steht. Dies wäre eine Idealvorstellung von innerer
Überzeugung. In der Praxis mag es anders aussehen. Für den Anfang
reicht es vielleicht, sich daran zu erinnern, dass Sprache so und so
nur ein unzureichendes Werkzeug ist. Heinz von Förster und
Friedemann Schulz von Thun beharrten immer wieder auf der Bedeutung
des Empfängers einer Botschaft (Der Leser bestimmt den Inhalt mit
usw.). Eine innere Transformation von Wertigkeitsgefühlen wäre
erstrebenswert. Und das soll sich natürlich auch im Außen
widerspiegeln. Aber wenn möglich mit Geduld und Beharrlichkeit und
ohne unsere Sprache zu verwursten.
Anna Julia Kleinow