Sunday, April 12, 2015

Calling Council in der Mongolei

Sitting in Council


Liebe Mitglieder und Interessierte von Sakyadhita Germany. In einer der letzten Rundmails hatte ich angeregt, die Tradition des „Sitting in Council für Sakyadhita“ in Ihrem Umfeld einzuführen. Hier ist nun ein Text von unserem Mitglied Ven. Konchok Jinpa Chodron, der zeigt, wie dies umgesetzt werden könnte.

Wie immer freuen wir uns über Rückmeldungen.

Dr. Rotraut Jampa Wurst


Calling Council in der Mongolei


Der für die 10. Sakyadhita Konferenz geplante Workshop über Calling Council hätte beinahe nicht stattgefunden. In der Haupthalle hielt Jetsunma Tenzin Palmo einen Meditations Workshop, und natürlich wollten alle daran teilnehmen. Trotzdem fanden sich schließlich fünf von uns auf der Terrasse ein, um im energetischen Kielwasser von Jetsunma, im Council zu sitzen. Der Workshop bot die Gelegenheit,  Bestand aufzunehmen, und darüber zu reflektieren was uns dazu brachte, an der Konferenz teilzunehmen, sowie über unsere bedeutungsvollste Erfahrung  bis jetzt.

Eines der Hauptthemen, das sich durch unsere Gruppe zog, war das der Zugehörigkeit und unseren Platz in dieser Gemeinschaft zu finden. Im Council zu sitzen, bot einen sicheren Platz und unser  Austausch war vertraulich, da es wichtig war unsere Geschichten zu hören und unsere Gemeinsamkeit zu finden.  Es war nur eine Kostprobe, größtenteils improvisiert, aber für eine Person war es das bedeutungsvollste Ereignis der ganzen Konferenz bis jetzt, und eine andere wurde sich darüber klar, wie wichtig es war langsamer zu machen, besonders im Gespräch (zitiert hier mit Erlaubnis).

Calling Council, eine Tradition die von den ursprünglichen Bewohnern Amerikas benützt wird, ist in verschiedenen Formen, aber mit ähnlichen Prinzipien und Richtlinien in der ganzen Welt zu finden.  Es ist eine geschickte und nicht hierarchische  Methode um Konsensus zu bilden. Es wurde entwickelt und adaptiert für verschiedene Situationen und Zentren in der modernen Welt. Joan Halifax Roshi zum Beispiel, hält Council in ihrem Upaya Zen Zentrum in Neu Mexiko, für das es ideal ist.

Calling Council kann auf vielfältige Weise eingesetzt werden. Es ist eine äußerst geschickte Methode zur Lösung von Konflikten, um unabgeschlossene Themen auf eine nicht bedrohliche, sichere Art und Weise zu bearbeiten, um sich der Prozesse bewusst zu werden; auch um zu sehen, was in einem gegebenen Moment benötigt wird, sowie zur Reflektion auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene über jegliches Thema das gerade ansteht. Calling Council fängt damit an, in einem Kreis zu sitzen, der in allen Traditionen der Welt als heilig gilt. Als Symbol für die Ganzheit, für das Allumfassende, für Leerheit und Form, erinnert der Kreis uns daran, dass wir alle gleichwertig sind. Keiner hat mehr Wichtigkeit als der andere. Die Wahrheit liegt in der allumfassenden Ganzheit, an der wir alle teilhaben. Wir errichten einen kleinen Altar, entweder im Zentrum, oder als Teil des Kreises. Dies erinnert uns daran, die Hilfe unserer Lehrer, der Buddhas und Bodhisattvas zu erbitten, um von erleuchteter Energie und nicht von unserem egozentrierten Geist, geleitet zu werden.

In unserer Council Sitzung in der Mongolei haben wir eine Kerze angezündet, Räucherstäbchen dargebracht und unsere Intention für das Halten des Councils ausgesprochen, um dadurch unsere Energie zu fokussieren und uns in Erinnerung zu rufen, warum wir uns versammelt haben. Wir riefen uns auch wieder ins Gedächtnis, vom Herzen aus zuzuhören, aus dem Herzen heraus zu sprechen, präzise zu sein und auf den Punkt, und nur mit dem Gesprächsobjekt zu sprechen, das im Kreis herum gereicht wurde. Während wir das Gesprächsobjekt hielten, waren wir dazu angehalten, spontan aus dem Herzen heraus zu sprechen, mit der vollen, ungebrochenen Aufmerksamkeit aller Beteiligten. Das bedeutete im Augenblick zu bleiben, nicht schon im Voraus zu planen was man sagen würde, sondern die Gedanken zu zügeln und fokussiert und achtsam zu bleiben. Zu schweigen ist auch eine Möglichkeit aus dem Herzen zu sprechen, solange wir zulassen, dass es sich wirklich entwickelt und wir es nicht als eine Art von Vermeidung benützen.

Um vom Herzen aus zuzuhören, brauchen wir Geduld – mit uns selbst und mit anderen. Wir haben die Tendenz sofort etwas erwidern zu wollen, sobald jemand spricht. Stattdessen werden wir aufgefordert, uns unserer Tendenzen bewusst zu werden, aber nicht sofort zu reagieren. Wir müssen uns unserer aufsteigenden Gedanken und Gefühle bewusst werden, ohne unserem geschwätzigen Geist anheim zu fallen. Nur wenn wir still genug sind, können wir nicht nur die gesprochenen Worte hören, sondern auch das, was sich in den Zwischenräumen  entfaltet, sowie auch die leise Stimme in unserem eigenen Herzen.

In seinem Buch ‚das Tibetische Buch vom Leben und  Sterben‘, spricht Sogyal Rinpoche von den ‚drei Methoden der Weisheit‘ – die Weisheit des Zuhörens und Hörens, die Weisheit der Kontemplation und Reflektion und die Weisheit der Meditation – die alle zur Weisheit der Egolosigkeit führen. Er sagt, dass,  ‚….in der Weise zuzuhören, wie es von den Meistern gemeint ist, bedeutet ein komplettes Loslassen unseres Selbst, ein Loslassen aller Informationen, aller Konzepte, aller Ideen und aller Vorurteile mit denen unsere Köpfe vollgestopft sind.‘  Er zitiert Suzuki Roshi, ‚Wenn der Geist leer ist, ist er immer für alles bereit;  ist er offen für alles. Im Anfängergeist  gibt es viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige.‘ Dilgo Khyentse Rinpoche sagte, ‚Je mehr man zuhört, desto mehr hört man, umso tiefer wird das Verständnis‘.

In der Council Sitzung vertieft sich unser Verständnis über uns selbst und über das Objekt unserer Erforschung und Reflektion mit jeder Runde im Kreis, wie das Entfernen der Häute einer Zwiebel. Die erste Runde ist eine Einführung, um zu sehen wie es funktioniert und um Vertrauen aufzubauen.  Ich habe bemerkt, dass durch wirklich gegenseitiges Hören, sich unser Herz öffnet und Mitgefühl oft ganz natürlich daraus entsteht. Dies wiederum ermöglicht einen tieferen, wahrhaftigen Austausch in den folgenden Runden.


In der zweiten oder dritten Runde wird es ruhiger.  Unsere überschäumenden Gedanken und Gefühle haben sich etwas beruhigt und wir sind in der Lage tiefer zu gehen. Zur selben Zeit entwickelt sich ein Gefühl nicht getrennt voneinander zu sein, sondern ein Teil eines ganzen Organismus‘.  In der dritten oder vierten Runde sind wir bereits weniger an einem bestimmten Resultat interessiert, sondern sind in der Lage zu hören was notwendig ist, woraus sich dann eine Lösung auf organische Weise entwickeln kann.

Auf diese Weise ist Council am Prozess orientiert. Was von uns benötigt wird ist, dass wir uns so gut es geht voll und mit ganzem Herzen einbringen, und gleichzeitig bereit sind, unsere eigenen Ansichten aufzugeben. Wir müssen mit einem Anfängergeist antreten, was bedeutet, dass wir nicht schon im Vornherein entschieden haben, was das beste Resultat sein würde, sondern offen zu sein und bereit, zu folgen, wohin die Energie in der Gruppe uns führt. Die Perspektive des ‚Nicht-Wissens‘ der praktischen Weisheit, besteht darin offen zu sein für alle Möglichkeiten, anstelle eine Position des ‚Wissens‘ einzunehmen, welche das Risiko trägt, Möglichkeiten auszuschließen, oder zumindest sie einzuschränken.  Nachdem ein Endergebnis gefunden wurde, mit dem ein Gefühl der Vollendung einhergeht, widmen wir den Verdienst der  Council Sitzung generell allen Wesen und falls angebracht, auch für eine spezifische Sache.

Ich betrachte Council Sitzungen inzwischen als eine Art Sprachmeditation. Wie auch in der Meditation, sind wir dazu angehalten unsere Gedanken, Gefühle und körperliche Sensationen zu beobachten, ohne uns darin zu verfangen. Wir müssen im gegenwärtigen Augenblick bleiben, unsere Aufmerksamkeit schulen und unseren Fokus beibehalten. Wir müssen loslassen von unseren Vorstellungen, Ideen und dem Wunsch, dass sich die Dinge auf eine bestimmte Weise entwickeln.

Council bietet uns einen Raum, in dem wir über die Vergänglichkeit Einsicht und eine Erfahrung aus erster Hand gewinnen können. Alles verändert sich während wir im Kreis herum gehen. Bis das Gesprächsobjekt wieder bei uns angekommen ist, ist es ziemlich offensichtlich, dass wir nicht mehr ganz dieselbe Person sind, und wir uns bereits in einer anderen Position befinden. Es macht keinen Sinn an unseren Gesichtspunkten und Meinungen festzuhalten. Und es wird auch ziemlich offensichtlich, dass wir alle vom selben Wunsch motiviert sind, glücklich zu sein und Leiden zu überwinden, selbst wenn wir unterschiedliche Ansichten haben.  Wenn wir uns darüber bewusst werden, wird es schwieriger den anderen weiterhin als Feind zu betrachten, getrennt von uns selbst. So oft äußern wir das Gleiche, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Selbst wenn wir nicht übereinstimmen, so kann es vielleicht leichter werden zu sagen, ‚ich möchte, dass Du auch glücklich bist, und es Dir gut ergeht‘ und ‚lass uns einfach mal sehen, wohin uns das führt‘ – indem wir akzeptieren, dass wir alle gleichermaßen das Recht haben unser Bestreben nach Glück zu erfüllen, was auch SH der Dalai Lama so oft betont.

Liebende Güte, Mitgefühl und Geduld sind alles Muskeln, die in Council Sitzungen trainiert werden. Dies wiederum führt zu einem inneren Gleichmut – der Fähigkeit ruhig zu bleiben, angesichts der Aufregungen und Dramen, die sich vor unseren Augen, sowie auch in unserem Inneren abspielen.  Wenn wir wieder an der Reihe sind, haben wir die Gelegenheit von einem anderen Platz heraus zu erwidern und nicht nur aus unseren alten Gewohnheitsmustern heraus.
Wir fangen mit dem Kreis an und wir hören mit dem Kreis auf – der Kreis ist leer. In einer bestimmten Form der Council Sitzung, wird das Gesprächsobjekt jedes Mal nachdem eine Person gesprochen hat, in die Leerheit des Kreises zurück gelegt. Auf diese Weise werden wir an die Worte des Herz Sutra erinnert, dass ‚Form Leere und Leere Form‘ ist – dass es nichts gibt, woran man sich festhalten könnte, dass es nur das ‚Weitergehen‘ gibt, mit dem offenen Herzen des Mitgefühls und der Weisheit.

Mögen alle Wesen glücklich sein! Mögen alle Wesen Gesundheit besitzen! Mögen sich alle Wesen in Sicherheit befinden!

Der Artikel wurde zuerst in Sakyadhita International Association of Buddhist Women, im  Newsletter Frühjahr2009, Volumen 8.1, Nummer 1. veröffentlicht. Revidiert am 28.1.2015


Konchok Jinpa Chodron (Jutta Gassner),  ist eine westliche Nonne in der Drikung Kagyu Tradition des tibetischen Buddhismus. In ihrer Zeit in England, hat sie mehrere Jahre verschiedene Formen der Dialog Runde in traditionsübergreifenden Gruppen, insbesondere für Sakyadhita International (die Internationale Organisation buddhistischer Frauen) geleitet. Sie lebt derzeit am Bodensee.

jinpa-la[at]gmx.net

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